Was den Konstanzer Bischof ärgerte, erhellt heute die Fasnetsgeschichte
* = ein Nachmittagsbrot
an dem Aschermittwoch wider die Gewohnheiten der Kirchen annoch bis in die Nacht die Dänz in dem Wirthshaus, wo die ledtige Pursch sich versammlet, gehalten und auff dem Rathshaus eine Merende* mit Einladtung auch der Geistlichen hierzu Nachmittag gegeben werden, welches Erstere als anders wir hoffen in so weith gemessiget zu werden, dass der Act mit dem Bronnenwerfen und Herausziehen möchte auff einen beliebigen Tag in der Fasnacht angestellet und die Merende auff andere Zeit verschoben werden.
Die Stadtverwaltung tat daraufhin das, was noch heute jeder halbwegs tüchtige Beamte tun würde: sie erklärte sich für nicht zuständig.
Zuständig sei vielmehr die Landesherrschaft, nämlich der in Munderkingen residierende österreichische Stadtamann.
Man betonte darüber hinaus die Ordnungsliebe aller beteiligten Teile und unterstrich die Teilnahme des Stadtamanns, des Stadtgerichts und der Munderkinger Geistlichen an dem uralten Brauch.
Der Text gibt damit vor allem eine Beschreibung der dem Brunnensprung vorangehenden Rituale.
Irgendeinen Grund zum Eingreifen konnte die Stadtverwaltung jedenfalls nicht erkennen. Man kann davon ausgehen, dass der Brunnensprung in den Folgejahren weiterhin am Aschermittwoch ausgeführt wurde. Im Einzelnen erklärte die Stadt:
Der Aschermittwoch ist ein in das Stadtammannamt (welches allergnädigster Herrschaft jura besorgen, die Gefäll einnemmen und verrechnen thuet) von uhralten Zeiten her eingeschlagende Sach, indeme die ledtige Pursch bey selben erlustiget, am Aschermittwoch sodan beruffet Herr Stadtammann das ganze Gericht in der Frühe auf das Rathshaus und gehen mit selben in der Ordnung in die Kirchen, welchen auch die ledtige Pursch in Ordnung volget, Nachmittag sodan nach vollendeter Vesper wirdet widerumb das ganze Gericht auff daß Rathshaus beruffen, auch die Geistlichkeit hierzu eingeladen und gibt Herr Stadtammann sambtlichen das Fasten-Küechl, so in einem Glas Wein und Fastenbrodt bestehet, welches auch in allergnädigster Herrschafft Rechnung jederzeit und auff disen Tag per Ausgab passieret wirdt, wan nun die Geistlichkeit und Gericht beysamen, so ziehet die ledtige Pursch mit Trummel und Pfeiffen zu dem auff dem Marckhtplaz und vor dem Rathshaus stehenden Bronnen, worvon alsdan zwey hineinspringen und sich hernach noch etwas erlustigen thuen.
Bisher ging man davon aus, dass die Tradition 1866 wieder aufgenommen wurde.
Zufälligerweise wurde jedoch der Hinweis gefunden, dem zufolge schon vorher wieder ein Brunnensprung stattgefunden hat.
Der Munderkinger Schneidermeister Lorenz Keßler berichtet nämlich in seiner Chronik mit übrigens etwas eigenwilliger Rechtschreibung für das Jahr 1859 folgendes:
Den 7ten Merz, am Fastnachtmontag, hat Sattlermeister Diemer von hier eine Red gehalten in der Vohrstatt beim Entenbrunen unter sehr viele Zuschauer. Die Red waar sehr rierent und lerreich. Amen. Und am Fastnachtdinstag ist wieder in den Marckbrunnen gesprungen, Herr Buchbinder Selg hatte die Ehre, zuerst hienein zu springen. Dan dem Jackob Schänz sein Son wahr der Zweite, wunderbaar kumen die Zeiten, Munderkingener.
Der Gesangverein aktiviert 1866 den Brunnensprung
Dennoch fanden in den Folgejahren anscheinend keine weiteren Brunnensprünge mehr statt.
Erst 1866 folgte wieder ein Brunnensprung, den Keßler folgendermaßen beschreibt:
* = Trommel
Den 11. und 12. Februar, in der Fastnacht, wurde in hiessiger Statt die Trommel nach alter Sitte wieder aufgeführt durch den Liederkranz hier, Montag in Brunnen gesprungen und Dinstag Figatta* geschlagen.
Es wird daraus deutlich, dass die Wiederaufnahme der Fasnet über die in jener Zeit aufblühenden Vereine erfolgte und der Liederkranz das Ganze in die Hand nahm.
...und die Turner den Glompigen eine Woche früher als anderswo
Kein Wunder, dass der zweitstärkste Verein der Stadt, der Turnverein, nicht zurückstehen wollte.
Er veranstaltete kurzerhand in eben jenem Jahr 1866 einen Fackelzug um die Stadt, und zwar merkwürdigerweise an einem Donnerstag zwei Wochen vor der Fasnacht.
Möglicherweise wollte man sich ganz einfach von der Veranstaltung des Liederkranzes gebührend abheben. Jedenfalls wissen wir auch darüber aus der Keßler`schen Chronik Bescheid:
Keßlers Empörung über die Veranstaltung, die dadurch verursachte Feuergefahr und der Gassenlärm hat für uns die positive Folge, dass er dem Ärge in seiner Chronik Luft machte und damit wohl den ersten Beleg für die Feier des „Glompigen“ in Munderkingen liefert – an dem bis heute üblichen Termin eine Woche früher als sonst.
Den 1ten Februar haben die hiesigen Turner einen Fackelzug um die Statt gehalten um nacht 8 Uhr bei einem höfdigen Orkan, so dass das Feuer herrum geflogen ist wie die Schneeflocken, dan bald im Adlerwiertshauß und darauf unerherter Gassenlerm von als und jong. Pfui Deifel.
Verein zur Pflege des heimatlichen Brauchtums
In Munderkingen wurde 1990 ein Verein zur Pflege des heimatlichen Brauchtums gegründet.
Er ist ein fester Bestandteil des Munderkinger Vereinslebens geworden und hat sich zu einer aktiven und verlässlichen Vereinsgemeinschaft entwickelt.
Der Verein hat sich engagiert und erfolgreich mit anderen Vereinen und Organisationen zusammengetan, um gemeinsame Ziele zum Wohle unserer Stadt zu verwirklichen.
Besonders hervorzuheben sind die zahlreichen Arbeitsstunden, die zur Einrichtung der kirchengeschichtlichen Abteilung unseres städtischen Museums geleistet wurden.
Durch zahlreichen Auftritte an der Fasnet und bei Trachtenumzügen vertritt er unsere Stadt weit über die Grenzen unseres Kreises hinaus.
Spittl - Narr
Nachdem in alten Protokollen und Beschreibungen über das Heiliggeistspital in Munderkingen, verschiedene Hinweise über Fasnetaktivitäten gefunden wurden, entschloss sich der Verein eine Fasnetfigur den "Spittl-Narr" ins Leben zu rufen.
Auf der Suche nach einer geeigneten Maske wurde man ebenfalls fündig.
So befanden sich in der ehemaligen Spitalscheuer zwei wunderschöne Schnitzereien aus dem Jahr 1740 (zu besichtigen im Ehinger Museum).
Bei der Darstellung handelt es sich um dämonenabweisende Schreckenmasken (Neidköpfe).
Sie wurden als Grundlage für die Masken verwendet. Als Larvenhaube wird ein Lammfell angebracht, dies soll an die frühere Zunft der Gerber erinnern.
Das Häs selbst besteht aus einem bemalten weißen Leinenstoffkittel. Auf der Rückseite befindet sich das alte Stadtwappen. Die Vorderseite ist mit Motiven und Ansichten von Munderkingen gestaltet.
Beide Ärmel werden mit heimischen Blumenmotiven bemalt. Sie sollen an den Frühling erinnern. Dazu wird eine weitfallende rote Kniebundhose getragen.
Die Farben rot und weiß sind die Stadtfarben und sollen an die mehr als 500-jährige Zugehörigkeit der Donaustadt zu Vorder-Österreich erinnern.
Trachtengruppe
Der Brauchtumsverein baut auch eine eigene Trachtengruppe auf, mit der er sich bei Trachtenumzügen, wie dem Bächtelesfest in Saulgau, beteiligt.
brauchtum-munderkingen.de
Die Munderkinger Trommgesellenzunft
In Munderkingen belebt sich zur Fasnetszeit der Platz um den Löwenbrunnen, denn dort findet einer der Höhepunkte der Fasnet statt der Brunnensprung der Trommgesellen.
Bei Tanzanlässen an der Fasnacht sind Trommeln und Pfeifen mit die ältesten tanzbegleitenden Instrumente überhaupt.
Der Munderkinger Dichter Carl Borromäus Weitzmann beschreibt in der vierten Strophe seines Gedichts "Lob des Munderkingers" 1803 erstmals den Tanz auf dem Brunnenrand:
Da trägt er als Trommelgesell
Bei Trommel und Pfeife den Degen zu Seiten
Tanzt hoch auf dem Brunnengestell
Trinkt Vivat dem Kaiser mit Neckarwein,
Trinkt Vivat dem Liebchen und springt - hinein.
Vollgesoffen, lahmgetanzt,
Ruht des Faschings dicker Wanst
Auf dem Leichenbette.
Krüg und Gläser liegen leer
Und zerstückelt um ihn her
Dudelsack und Flöte...
Nach dem zweiten Weltkrieg wurde nur das Auswürfeln der Brunnenspringer mit Trommelwirbel begleitet.
Schon um 1950 gab es eine kleine Gruppe von Trommlern, die diese Funktion ausübten.
Anfang der 1960er Jahre hat man den Trommler- und Pfeiferzug in Munderkingen neu gegründet.
Für die Einheimischen hat ihr Narrenmarsch einen ausgesprochen hohen Identifikationswert. Er löst meist starke Emotionen aus, die von sentimentalen Heimwehgefühlen bis zu lautstarkem Lokalpatriotismus und völliger Ausgelassenheit reichen können.
Durch die andauernde Wiederholung des Marsches in kurzen Abständen, setzt sich die Melodie im Unterbewusstsein des Zuhörers fest.
Noch Stunden und Tage nach einem Narrensprung, Umzug oder gar nach der Fasnet, spielt sich die Melodie in das Gedächtnis.