Was den Konstanzer Bischof ärgerte, erhellt heute die Fasnetsgeschichte
Im Zusammenhang mit einer Visitation der Munderkinger Pfarrkirche im Jahr 1748 legte die Konstanzer Bistumsverwaltung der Stadt nahe, den Brunnensprung von dem bisher üblichen Termin Aschermittwoch in die „Fasnacht“ zu verlegen. Tadelnd warf man der Stadt vor, dass
an dem Aschermittwoch wider die Gewohnheiten der Kirchen annoch bis in die Nacht die Dänz in dem Wirthshaus, wo die ledtige Pursch sich versammlet, gehalten und auff dem Rathshaus eine Merende* mit Einladtung auch der Geistlichen hierzu Nachmittag gegeben werden, welches Erstere als anders wir hoffen in so weith gemessiget zu werden, dass der Act mit dem Bronnenwerfen und Herausziehen möchte auff einen beliebigen Tag in der Fasnacht angestellet und die Merende auff andere Zeit verschoben werden.
* = ein Nachmittagsbrot
Die Stadtverwaltung tat daraufhin das, was noch heute jeder halbwegs tüchtige Beamte tun würde: sie erklärte sich für nicht zuständig.
Zuständig sei vielmehr die Landesherrschaft, nämlich der in Munderkingen residierende österreichische Stadtamann.
Man betonte darüber hinaus die Ordnungsliebe aller beteiligten Teile und unterstrich die Teilnahme des Stadtamanns, des Stadtgerichts und der Munderkinger Geistlichen an dem uralten Brauch.
Der Text gibt damit vor allem eine Beschreibung der dem Brunnensprung vorangehenden Rituale.
Irgendeinen Grund zum Eingreifen konnte die Stadtverwaltung jedenfalls nicht erkennen. Man kann davon ausgehen, dass der Brunnensprung in den Folgejahren weiterhin am Aschermittwoch ausgeführt wurde. Im Einzelnen erklärte die Stadt:
Der Aschermittwoch ist ein in das Stadtammannamt (welches allergnädigster Herrschaft jura besorgen, die Gefäll einnemmen und verrechnen thuet) von uhralten Zeiten her eingeschlagende Sach, indeme die ledtige Pursch bey selben erlustiget, am Aschermittwoch sodan beruffet Herr Stadtammann das ganze Gericht in der Frühe auf das Rathshaus und gehen mit selben in der Ordnung in die Kirchen, welchen auch die ledtige Pursch in Ordnung volget, Nachmittag sodan nach vollendeter Vesper wirdet widerumb das ganze Gericht auff daß Rathshaus beruffen, auch die Geistlichkeit hierzu eingeladen und gibt Herr Stadtammann sambtlichen das Fasten-Küechl, so in einem Glas Wein und Fastenbrodt bestehet, welches auch in allergnädigster Herrschafft Rechnung jederzeit und auff disen Tag per Ausgab passieret wirdt, wan nun die Geistlichkeit und Gericht beysamen, so ziehet die ledtige Pursch mit Trummel und Pfeiffen zu dem auff dem Marckhtplaz und vor dem Rathshaus stehenden Bronnen, worvon alsdan zwey hineinspringen und sich hernach noch etwas erlustigen thuen.
Bisher ging man davon aus, dass die Tradition 1866 wieder aufgenommen wurde.
Zufälligerweise wurde jedoch der Hinweis gefunden, dem zufolge schon vorher wieder ein Brunnensprung stattgefunden hat.
Der Munderkinger Schneidermeister Lorenz Keßler berichtet nämlich in seiner Chronik mit übrigens etwas eigenwilliger Rechtschreibung für das Jahr 1859 folgendes:
Den 7ten Merz, am Fastnachtmontag, hat Sattlermeister Diemer von hier eine Red gehalten in der Vohrstatt beim Entenbrunen unter sehr viele Zuschauer. Die Red waar sehr rierent und lerreich. Amen. Und am Fastnachtdinstag ist wieder in den Marckbrunnen gesprungen, Herr Buchbinder Selg hatte die Ehre, zuerst hienein zu springen. Dan dem Jackob Schänz sein Son wahr der Zweite, wunderbaar kumen die Zeiten, Munderkingener.
Der Gesangverein aktiviert 1866 den Brunnensprung
Dennoch fanden in den Folgejahren anscheinend keine weiteren Brunnensprünge mehr statt.
Erst 1866 folgte wieder ein Brunnensprung, den Keßler folgendermaßen beschreibt:
Den 11. und 12. Februar, in der Fastnacht, wurde in hiessiger Statt die Trommel nach alter Sitte wieder aufgeführt durch den Liederkranz hier, Montag in Brunnen gesprungen und Dinstag Figatta* geschlagen.
* = Trommel
Es wird daraus deutlich, dass die Wiederaufnahme der Fasnet über die in jener Zeit aufblühenden Vereine erfolgte und der Liederkranz das Ganze in die Hand nahm.
...und die Turner den Glompigen eine Woche früher als anderswo
Kein Wunder, dass der zweitstärkste Verein der Stadt, der Turnverein, nicht zurückstehen wollte.
Er veranstaltete kurzerhand in eben jenem Jahr 1866 einen Fackelzug um die Stadt, und zwar merkwürdigerweise an einem Donnerstag zwei Wochen vor der Fasnacht.
Möglicherweise wollte man sich ganz einfach von der Veranstaltung des Liederkranzes gebührend abheben. Jedenfalls wissen wir auch darüber aus der Keßler`schen Chronik Bescheid:
Den 1ten Februar haben die hiesigen Turner einen Fackelzug um die Statt gehalten um nacht 8 Uhr bei einem höfdigen Orkan, so dass das Feuer herrum geflogen ist wie die Schneeflocken, dan bald im Adlerwiertshauß und darauf unerherter Gassenlerm von als und jong. Pfui Deifel.
Keßlers Empörung über die Veranstaltung, die dadurch verursachte Feuergefahr und der Gassenlärm hat für uns die positive Folge, dass er dem Ärge in seiner Chronik Luft machte und damit wohl den ersten Beleg für die Feier des „Glompigen“ in Munderkingen liefert – an dem bis heute üblichen Termin eine Woche früher als sonst.
Städtisches Museum im Heiliggeistspital
Der Spital wurde um 1400 zur Versorgung der Armen in der Stadt gestiftet. Das Gebäude mit seiner repräsentativen Fassade stammt aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts.
Das Museum wurde 1990 eingerichtet und wird vom Geschichtsverein Raum Munderkingen betreut.
In Vorbereitung befinden sich Sonderausstellungen zum Thema Fasnet (Masken, originelle Gruppen).
Von den Römern zu den Alemannen
Bildreihe: Tomas Stephan
Im Mittelpunkt steht ein Hortfund mit zwei Bronzestatuetten des Gottes Merkur, einer Opferschale, einem Kerzenständer und den Beschlägen eines hölzernen Kästchens.
Der aufsehenerregende Fund, der neben der Straße in der „Erblache“, der frühesten Ansiedlung entdeckt wurde, ist ein sprechendes Zeugnis für das Ende der römischen Herrschaft und den Anbruch der Epoche der Alemannen, die in das Land einwanderten, nachdem es die römische Bevölkerung verlassen hatte.
Die Funde aus der Römerzeit stammen aus dem Kastell bei Emerkingen und den dazugehörigen zivilen Dorf.
Sie zeigen die fortschrittliche Zivilisation Roms. Münzen, Gefäße aus Glas und Keramik, die kostbaren bis von Süditalien und Spanien eingeführten „Terra sigillate“ bezeugen das funktionierende Handelswesen im ausgedehnten Römischen Reich mit seinem ausgebauten Straßensystem.
Gebrauchskeramik aus Brennöfen bei Unterwachingen ist Beweis für eine frühe industrielle Produktion.
Die Ausstellung macht den Verlust an Zivilisation in der darauffolgenden Epoche der alemannischen Besiedlung deutlich.
Die Funde stammen aus dem alemannischen Friedhof südlich der Hausener Straße. Seit 1835 wurden immer wieder Gräber angeschnitten; 1994 wurde erstmals eine Ausgrabung wissenschaftlich begleitet.
Die dabei geborgenen Funde sind inzwischen mit Finanzmitteln der Stadt restauriert. Zusammen mit den früheren Funden gestatten sie ein lebensnahes Bild der damaligen alemannischen Bevölkerung: ihre Sozialstruktur, Beschäftigung, Kleidung mit Schmuck und Waffen. Sie geben auch Aufschluss über Lebenskultur und Krankheiten.
Zwei wohl im Kampf gefallene Männer verschiedenen Alters wurden Arm in Arm begraben – sie sind im Sarg zu sehen.
Aus der Geschichte der Vorderösterreichischen Donaustadt
Bildreihe: Thomas Stephan
Dieser Raum lädt zu einem Gang durch die Geschichte der Stadt ein. Eine Reihe von Dokumenten und Porträts erinnert an ihre österreichische Vergangenheit von 1283 – 1806.
Die sechs Zünfte der Handwerker spielten in der Stadt eine entscheidende Rolle. Ihre Zunfttruhen, Mitgliedsbücher und Ordnungen zeugen von ihrer Bedeutung. Die um 1730 vom Munderkinger Maler Franz Joseph Gerber geschaffenen Labaren mit der Darstellung ihrer Patrone sind Ausdruck ihrer religiösen Bruderung.
Ein besonders kostbares Dokument ist die Zunfttruhe der Schützengesellschaft mit der Darstellung von Mitgliedern in der zeitgenössischen Tracht.
Vier Porträts von den Äbten Konrad Kneer, Ignaz Stein, Paul Schmid und Bernhard Kempter dokumentieren die engen Beziehungen zum Reichsstift Marchtal.
Porträts und Dokumente erinnern an Leben und Werk des bedeutenden Politikers und württembergischen Innenministers Carl Joseph von Schmid. Ein Modell zeigt die 1893 auf seine Initiative geschaffene repräsentative Donaubrücke, die 1945 gesprengt wurde. Sie war die erste Spannbetonbrücke der Welt.
Der Nebenraum mit Biedermeiermöbeln enthält die Werke und Dokumente zum Leben und Werk des Dichters Carl B. Weitzmann, auch das einzig erhaltene Porträt.
Handwerk in Munderkingen
Bildreihe: Thomas Stephan
Ein kleiner Raum dokumentiert die im 19. Jahrhundert bedeutende Herstellung von Bürsten, die neben dem häuslichen Handwerk auch industriell betrieben wurde.
Modelle zeigen die ersten Industriebetriebe der Stadt.
Eine zeitgenössische Darstellung der Stadt mit der Donautal-Eisenbahn ist ein Zeugnis der Gründerzeit, die den Aufschwung von Industrie und Handel ermöglichte.
Ein weiterer Raum zeigt eine Schusterwerkstatt um das Jahr 1930.
Sammlung von Puppen, Puppenstuben und Blechspielzeug
Bildreihe: Thomas Stephan
Eine umfangreiche Sammlung von Puppenstuben, Puppen und Blechspielzeug, überlassen von Frau Gaggelmann, bietet einen einfühlsamen Blick in das Leben und die Wohnungen in der „Guten alten Zeit“ um die Jahrhundertwende und der Vorkriegszeit.
Kirche und Frömmigkeit
Bildreihe: Thomas Stephan
Sie ist eingerichtet in der ehemaligen Kapelle des Spitals, in dem ein eigener Kaplan wirkte. Texte zu den Ausstellungsstücken geben Auskunft über die Geschichte der Kirchen und Kapellen in der Stadt, sie beschreiben ihr lebendiges religiöses Leben.
Mittelpunkt der Ausstellung ist die barocke Figur des hl. Dionysius, des Patrons der Stadtkirche, der auf die Zeiten der Missionierung im 8. Jahrhundert zurückgeht. 1382 erwarb das Prämonstratenserkloster Marchtal die Pfarrei und bestimmte fortan das religiöse Leben in der Stadt. Die Gemälde, die die Heiligen des Ordens darstellen, sind Ausdruck dieses geistigen Einflusses.
An das St. Annakloster erinnern Brustkreuze der Nonnen, eine barocke Darstellung des hl. Franz unter dem Kreuz und eine Monstranz mit einem Kreuzpartikel.
Die gotischen Figuren des hl. Ulrich und hl. Nikolaus aus der „Marienkapelle vor dem Obertor“ sind Zeugnisse für die Verehrung beliebter Heiliger.
Die Darstellung von Jesus Christus unterlagen einem Wandel in der Anschauung: sie reichen von der herrscherlichen Gestalt des Mittelalters zum leidenden Christus der Pestzeit, zu den barocken Gemälden, die Jesus im Kerker oder Grab darstellen. Dazu gehören aber auch die liebevoll gestalteten „Fatschenjesulein“.
Kostbare Reliquienbehälter sind Ausdruck barocker Verehrung der Heiligen, die durch ihre Nähe Hilfe und Fürsprache erwarten ließen.
Prächtige Messgewänder sind bedeutende Werke der Textilkunst aus Renaissance, Barock, Biedermeier und des Jugendstils.
Die restaurierten Kirchenfenster von 1908 mit gehaltvollen Glasgemälden im Nazarenerstil sind Zeugnisse der damaligen Kunstrichtung und Religiosität.
Weitere Informationen über das Museum Munderkingen finden Sie unter www.museum-munderkingen.de
Öffnungszeiten:
Jeden 1. und 3. Sonntag im Monat von 14.00 bis 17.00 Uhr, letztmals am15.12.2024
Führungen nach Vereinbarung
Eintrittspreise:
Einzelpersonen | 3, 00 Euro |
ermäßigt (Schüler, Studenten, Rentner, Pensionäre) | 2, 00 Euro |
Gruppen, ab 6 Personen je | 2, 00 Euro |
Jugendliche bis 13 Jahre | frei |
Vereinsmitglieder | frei |
Adresse & Ansprechpartner:
Städtisches Museum Munderkingen
Schulhof 3
89597 Munderkingen
Vorsitzende:
Romy Wurm
Ahornwerg 8
89611 Rechtenstein
Tel.: 07375/544
Kontakt: Hermann Lang, Tel.: 07393 / 919427